Noah Cohen fotografiert am liebsten Menschen. In Porträts, beim Tanz, auf der Straße. Er arbeitet sowohl analog als auch digital, und auch sonst ist seine Herangehensweise ambivalent. Zum
Beispiel: Wenn man Tanz sieht. Dann fließt das, es ist schön oder ausdrucksvoll, wie auch immer. Aber es ist ein Ganzes, ein großer Bewegungsbogen. Auf dem Foto hingegen sieht man noch etwas
anderes, was darüber hinausgeht, etwas, was beim Betrachten des Ganzen nicht sichtbar wurde und nur durch das Festhalten eines Momentes, durch seine Isolierung, hervortritt. Da ist plötzlich
Schmerz im Gesicht, Aggression, zusammengekniffene Augen, Spannung, hervortretende Muskeln und Sehnen. Dinge, die bei der Aufführung hinter dem fließenden Gesamteindruck verborgen blieben. Wie
wenn man hinter den Tanz blicken könnte, hinein in die Anstrengung und den Schmerz.
Oder die Arbeiten, die auf der Straße entstehen: Cohens Blick ist der des Insiders und des Outsiders zugleich. Er steigt in Situationen ein, die für ihre Protagonisten vertraut und Alltag sind,
so dass sie oft gar nicht wirklich und letztgültig wahrgenommen werden. Tritt aber ein anderer, ein fremder Wahrnehmender in die Szenerie ein, verbindet sich dieser Moment auch mit ihm, seinem
Hintergrund, seinen Gefühlen. Für einen kurzen Augenblick kreuzen sich die Wege von Fremdem und Vertrautem, der flüchtige Moment erhält durch das Bild Dauer. Alles, was ihm in den Straßen,
Landschaften, Gesichtern begegnet, schlägt sich in Cohens Bildern als Verdichtung einer großen Aufmerksamkeit, eines detailklugen Hinschauens nieder.